EDDA JACHENS


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Bettina Zeman

Zwischenräume – Arbeiten von Edda Jachens und Gaby Terhuven

Die gemeinsame Präsentation der Werke von Edda Jachens und Gaby Terhuven bietet ein weites Panorama, das von aktuellen, teils für diesen Ort geschaffenen Wachs- und Glasmalereien über Aquarelle und Bleistiftzeichnungen bis hin zu Skizzenbüchern und Vorzeichnungen reicht. Über die drei Etagen der Alten Villa des Kunstmuseums Gelsenkirchen entspinnt sich ein spannungsreicher und sich wechselseitig beeinflussender Dialog zwischen den zunächst so unterschiedlich anmutenden Arbeiten.

Beide Malerinnen eint die ungewöhnliche Wahl zweier Werkstoffe, die auf eine lange Tradition in Kunst und Kunstgeschichte zurückblicken: Wachs bei Edda Jachens und Glas bei Gaby Terhuven. Beiden Materialien ringen die Künstlerinnen durch eine bewundernswerte Intensität und Kraft, durch Ruhe und Ausdauer ganz neue Möglichkeiten und Perspektiven ab.

Anhand ausgesuchter Werke soll hier beispielhaft die jeweils ganz eigene, künstlerische Position vorgestellt werden, um schließlich dem Verbindenden und Trennenden ihrer Kunst nachzugehen: Wie es die zehnteilige Arbeit auf der langen Wand (S. 18f., und die sechsteilige auf der angrenzenden schmalen Wand (S. 21) exemplarisch zeigen, bemalt Gaby Terhuven stets zwei Glasscheiben von beiden Seiten partiell mit Ölfarbe.

Beide Scheiben sind mit schmalen Trennstegen auf Abstand hintereinander gefügt und mit Abstand zur Wand aufgehängt. Dadurch entstehen überraschende Wechselwirkungen innerhalb der Arbeit und mit dem Umraum. Während die Künstlerin so den Objektcharakter der Glasmalerei betont, bewirkt der zarte Schattenverlauf eine Vorstellung von Schweben.

Während die sechsteilige Arbeit das zumeist zurückhaltende Kolorit bei Gaby Terhuven zeigt, das hier von einem hellen Blau über ein zartes Rosa bis zu einem lichten Gelb reicht, tritt das zweireihige zehnteilige Band mit seiner kräftigeren Farbskala von gemischten Blau- und Grautönen in wohlkalkulierten Kontrast zur weißen Trägerwand.

Eine Vielzahl horizontaler Streifen auf der vorderen Glasscheibe dominiert die Gesamtkomposition. Durch ihr sukzessives An- und Abschwellen bilden sie eine Art Horizont und führen den Blick unwillkürlich in die Tiefe. Die Komposition setzt sich auf allen Scheiben fort, um die neben- und übereinander positionierten Elemente zu einer fortlaufenden Einheit zu verbinden. Auf die dahinter liegenden Oberflächen hat Terhuven minutiös feinste hellblaue Linien aufgetragen. Ihr diagonaler Verlauf bricht die Strenge der horizontalen Gliederung der Arbeit auf.

Unterbrochen durch die pastosen Horizontlinien rhythmisieren die feinen Liniensegmente die Komposition und bringen damit einzelne Bereiche gleichsam zum Flirren. Diese nehmen ihren Anfang und ihr Ende an den beiden vertikalen Aussparungen, an denen die Künstlerin ein Zusammenwirken der transparenten Lasuren mit der dahinterliegenden Wand erreicht. Gleich einem Lichtstrahl setzen die Aussparungen ihren Verlauf auf der darüber bzw. darunter versetzt angeordneten Scheibe fort und lassen die Elemente zu einer aus sich heraus strahlenden Einheit werden.

Entgegen der mittleren Vertikalen, die der Komposition Stabilität verleiht, neigen sich die beiden Bahnen bei genauerem Hinsehen sukzessive nach links und rechts. Dieser Prozess ließe sich nach Auskunft der Künstlerin anhand weiterer Glaselemente so weit fortsetzen, bis die Vertikale praktisch zum „Erliegen“ kommen würde.

So eindeutig die Werke zunächst konstruiert scheinen, so wandeln sie sich zu „nicht fassbaren Gehäusen“ (Gaby Terhuven), je länger der Blick auf ihnen verweilt. Durch die Staffelung der Scheiben und das wohlkalkulierte Zusammenspiel von Farben und Formen, durch kompositorische Setzungen und gezielte Brechungen vibrieren die Linien auf der Bildfläche und versetzen das Kunstwerk in Schwingung. Insbesondere die abschließende, in Streifen aufgetragene weiße Lasur auf der Vorderseite löst die Abgrenzungen auf und verunklärt den Blick in die Tiefe. Ein diffuser Bildraum entsteht, der durch das lebendige Wechselspiel von Vorder- und Hintergrund, von Nähe und Ferne pulsiert.

Gerade die Abmessungen dieser Arbeit von annähernd 5 Metern erfordern die Bewegung des Betrachters, die sich als grundlegend für die Wahrnehmung und Wirkungsweise der Kunst von Gaby Terhuven erweist. Denn je nach Standpunkt und Blickwinkel verändert sich die Arbeit, die unter dem Einfluss des natürlichen Lichts und den Gegebenheiten des Raums einem steten Wandel unterworfen ist. Nichts ist eindeutig, sondern alles verbleibt in Andeutung. Nichts ist gegeben, sondern alles entsteht vielmehr in der Vorstellung des Betrachters. Das sensible Zusammenspiel von Form und Farbe, von Licht und Schatten offenbart sich als rein visuelles Phänomen, das sich nicht festhalten lässt: Kunst als ein flüchtiges und nicht fixierbares Erleben, das sich gerade im Vorbeigehen immer wieder neu und anders offenbart.

Gaby Terhuven lässt in ihrer Glasmalerei – ob als einzelne Arbeit oder als mehrteilige Serie – ein faszinierendes Spiel mit der Wahrnehmung entstehen, das sein kongeniales Gegenstück in den eindrücklichen Paraffinwerken von Edda Jachens findet. So scheint auf das lange Querformat gleichsam ihr neunteiliges Hochformat aus 3 x 3 lichten „Kreuzungen“ an der schmalen Stirnwand (S. 13, 27) zu antworten, die die Künstlerin eigens für diese Ausstellung geschaffen hat.

uch diese Arbeit überzeugt und besticht durch die gezielte Reduktion der Farbe und die lineare Sprache der geometrisch-monochromen Form. Die Bildfläche wird von einer Gitterstruktur überzogen, die, neben Kreisen und Quadraten, zu dem charakteristischen Formvokabular der Künstlerin zählt. Mittels Farbstift und Schablone hat Edda Jachens vier Gitter auf die insgesamt neun grundierten Holzträger von 5 cm Tiefe aufgebracht. Dabei hat sie das Raster jedes Mal ein wenig verschoben, um ein Netz aus feinen Linien auf dem Bildträger entstehen zu lassen. Diese hat Edda Jachens danach mit hellem ungefärbten Paraffin überzogen. An den Seiten bildet es feine Tropfen, die das prozessuale Entstehen und die besondere Fragilität des Materials widerspiegeln.

m Gegensatz zu der fortlaufenden Struktur bei Gaby Terhuven ist Edda Jachens ganz bewusst bei der Anordnung der Tafeln nicht bei ihrer ursprünglichen Reihenfolge geblieben. Durch diese subtile Verschiebung (S. 12) unterbindet sie den exakten Weiterverlauf des filigranen Musters von Tafel zu Tafel, um die Wahrnehmung „sanft auszubremsen“, wie es die Künstlerin so treffend formuliert. Diese unerwartete Irritation führt zu einer Spannung im Kunstwerk. Das Auge wandert von Linie zu Linie und von Element zu Element über die gesamte Bildfläche, ohne das vermeintliche „Rätsel“ lösen zu können. Durch gezielte formale und farbliche Setzungen entstehen subtile Brüche, die den Betrachter in die faszinierenden Kunstwerke von Edda Jachens eintauchen lassen.


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