AUSSTELLUNG EDDA JACHENS IN DER GALERIE RENATE BENDER
Bemisst man die Konkrete Kunst an den Gestaltungsspielräumen des ihr zugrunde liegenden Materials, so gehört Edda Jachens zu den ideenreichsten Vertreterinnen dieser Zunft. Nach zeichnerischen Anfängen im Bereich des Fotorealismus bestimmt seit Ende der 1980er der Kosmos der geometrischen Abstraktion die Grundlagen ihrer künstlerischen Arbeit. Einer ersten Werkserie von dreidimensionalen Graphitarbeiten folgen malerische Werke mit Paraffin, die den Schwerpunkt der Ausstellung in der Galerie Renate Bender bilden. Paraffin ist ein industriell hergestelltes, geruchloses Wachs, dessen Verwendung einer physischen Erfahrung der Künstlerin entstammt. Wie so oft im Leben von Edda Jachens haben persönliche Erlebnisse und spirituelle Erkenntnisse nachhaltige Effekte auf den künstlerischen Schaffensprozess.
„In der maximalen Reduktion habe ich immer meine Stärke erfahren können“, sagt Edda Jachens, die achtsam geometrische Strukturen auf Leinwände malt, ehe sie diese mit mehreren Schichten von flüssigem Paraffin übergießt. Die Verwendung von Wachs beruht auf dem originären Gedanken, den darunter liegenden Formen, Farben und Konturen die Schärfe zu entziehen, sie zu transformieren und dadurch durchlässiger zu gestalten. Das Wachs verunklart die Wahrnehmung und bewirkt damit genau das Gegenteil: der Blick wird geschärft für das, was dahinter liegt. Das entspricht exakt der Intention der Künstlerin, die sich nicht für das Vordergründige interessiert, sondern für das „Geistige in der Kunst.“ Folglich wird auch dem Betrachter ein entschleunigter Blick und erhöhte Aufmerksamkeit abverlangt, um eine "Berührung der menschlichen Seele" zu erreichen, wie Wassily Kandinsky das einst formulierte.
Die jüngeren Arbeiten der Künstlerin zeichnen sich durch ein freieres Spiel der Formen und die Verwendung von Büttenpapier als Trägermaterial aus. Gezeichnete oder mit Schablonen aufgetragene Kreisflächen lassen subtil anmutende, ornamentale Muster entstehen. Das Paraffin wird hier mit breiten horizontalen und vertikalen Pinselstrichen aufgetragen, so dass sich eine fein verwobene Struktur ergibt. Bei dieser Werkgruppe erlaubt Edda Jachens über die Parameter der konkreten Gestaltung hinaus unterschiedliche Assoziationen: die arabesken Strukturen suggerieren eine Nähe zur islamischen Kunst und das Büttenpapier lässt mit seinen ausfransenden Rändern an geöffnete Schriftrollen denken. Edda Jachens versteht es, das Konstruktive der Konzeption und das Konkrete des Materials in äußerst poetischer Weise zu verschränken. Durch den Kunstgriff der Paraffin-Lasur kommt sie zu Bildfindungen von hoher ästhetischer und meditativer Wirkung. Gerade damit scheint Edda Jachens der Konkreten Kunst neue Dimensionen erschlossen zu haben.
Gerda Ridler
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